Die Diversity Month ist beendet und ich kann gar nicht beschreiben wie sehr ich mich zum einen über die Gast-Blogger, und zum Anderen über die herzlichen Kommentare und E-Mail der Leser gefreut habe. Wie ich bereits am Anfang angekündigt hatte, war mir dieses Projekt sehr wichtig. Diversität - mit den guten und schlechten Seiten - wird viel zu oft missachtet, vor allem in der Glitzerwelt des Bloggens. Umso mehr freut es mich, dass der Monat ausnahmslos gut bei allen ankam und sich Leute die Zeit genommen haben sowohl meine, als auch die Beiträge meiner Gastautoren, zu lesen.
Während der ganzen Zeit gab es jedoch keinen besonders persönlichen Beitrag von mir. Wie nehme ich Diversität, Rassismus und co. wahr? Was habe ich erlebt? Ich habe lange überlegt, ob ich ausführlich darüber schreiben soll, oder ob ich es lieber lasse. Ich weiß, dass es euch als Leser interessiert, denn dazu habe ich einige E-Mails erhalten. Aber möchte ich wirklich mein Innerstes auskehren? Möchte ich mich wirklich angreifbar machen? Denn das würde ich damit. Schon auf Facebook musste ich mir einmal anhören, dass "wir Schwarzen" uns ja absichtlich in die Opferrolle geben und wir maßlos übertreiben (dazu gleich mehr). Aber möchte ich das auch auf meinem Blog in den Kommentaren lesen? Meine Entscheidung ist ja, denn es wäre etwas heuchlerisch, persönliche Beiträge von den Gastautoren zu posten, und mich selbst als Autorin rauszunehmen, wenn ich eigentlich viel zu sagen habe. Sehr viel. So folgt jetzt ein kleiner Einblick in mein Leben, mein Aufwachsen, und mein Dasein als dunkelhäutige Frau in Deutschland. An dieser Stelle ein kleiner Disclaimer: Auch Personen aus meinem engen Umfeld haben schon "nicht-so-nette" Kommentare fallen lassen, die ich hier aufgreifen werde, natürlich ohne Namen zu nennen. An diese Personen: Falls ihr das hier lest, es soll kein Angriff sein. Aber die Interaktionen und Konversationen gehören einfach zu den Erfahrungen, die ich gemacht habe und erklären, warum sich Minderheiten so fühlen wie sie es nun einmal tun.
Das erste Mal, dass ich bewusst mitbekam, dass jemand mich wegen meiner Hautfarbe anders behandelte, war in der Grundschule. Wie wahrscheinlich jedes andere Kind auch, spielten wir auf dem Schulhof immer Klatsch-Spiele. "Bei Müllers hat's gebrannt-brannt-brannt", ihr wisst was ich meine. Eines Tages ist mir aufgefallen, dass ein Mädchen, mit dem ich mich eigentlich gut verstand, bei diesen Klatsch-Spielen nie neben mir stehen wollte. Am Anfang dachte ich mir nichts dabei, aber trotzdem begann ich darauf zu achten und irgendwann wurde klar, dass es nicht darum ging, dass sie nicht neben mir stehen will, sondern dass sie meine Hand nicht berühren will. Denn auch im Sportunterricht, wenn wir uns an die Hand nehmen sollten, und sie gerade neben mir stand (was oft vor kam, weil wir uns wie gesagt eigentlich gut verstanden haben), ist sie immer weggegangen und hat sich neben andere gestellt. Wenn ich ihr etwas geben wollte, und meine Hand ihre berührt hat, hat sie diese anschließend an ihrem T-Shirt "sauber" gewischt. Da merkte ich das erste mal bewusst, dass es Leute gibt, die mein äußerliches Anderssein stört oder gar anekelt. Kinder wissen nicht, was Rassismus ist. Aber woher kam dieses benehmen dann? War es die Erziehung des Mädchens? Immerhin waren 20 andere Kinder in meiner Klasse, und diese hatten kein Problem damit "das schwarze Mädchen" anzufassen.
Fastforward zu meiner Zeit als Teenager. Auf meiner Schule gab es nicht sonderlich viele Ausländer. Pardon, ich meine natürlich Menschen mit Migrationshintergrund. Allein die Tatsache, dass ich auf dem Gymnasium war, schien das Weltbild vieler Menschen zu zerstören. So hatte ich einige Male (und mit einige Male meine ich mindesten fünf) "nette" Gespräche mit Menschen verschiedenster Altersklassen, die man so zufällig beim Einkaufen und an Bushaltestellen trifft. Die Gespräche liefen dann jedes mal in Etwa so ab:
"Ihr Deutsch ist aber gut! Woher kommen Sie denn?"
"Ehm.... von hier?" In meinem Kopf dachte ich mir jedes Mal "here we go again", während ich aber natürlich das netteste Lächeln auf den Lippen trug.
"Ach wirklich? Dann gehen Sie hier zur Hauptschule?"
Achsooo, natürlich. Weil ich Kind-mit-Migrationshintergrund bin, kann ich ja unmöglich aufs Gymnasium gehen. Stimmt. Mein Fehler. Wenn man so "exotisch" aussieht, kann man natürlich nichts im Kopf haben. Apropos exotisch und Kopf. Nett sind auch immer wieder die Personen, die denken ich sei ein Ausstellungsstück. Ein Objekt. Nein, ihr dürft meine Haare nicht anfassen! Nein, sie fühlen sich nicht an wie Wolle! Wenn jemand fragt: "Wow, das sieht so weich aus, darf ich mal anfassen?", muss ich schon fast dankbar sein, denn fragen tun mittlerweile die Wenigsten. Unzählige ungefragt Hände hätte ich schon in meinem Afro und an meinen Braids. Fremde Hände. Und bekannte Hände. Hände, die denken sie könnten mich einfach anfassen, als sei ich ein Tier im Zoo, weil meine Haare so außergewöhnlich sind.
Wenn es um Alltagsrassismus geht, könnte ich eine abendfüllende Rede halten. Von Verwaltungsbeamten, die mir sagen ich müsse meine Haare glätten, weil mein "Struwwelkopf" nicht auf das Passbild passt, über alten Menschen, die in der U-Bahn lieber stehen als sich auf den einzigen freien Platz neben mich zu setzen und mir dies auch wortwörtlich zu verstehen geben, bis hin zu Freunden, die meinen ich solle mich was schämen Taylor Swift, Selena Gomez und co. zu mögen, weil ich doch nur HipHop hören dürfe, und wieder anderen Freunden die meinen das N-Wort sei ja gar nicht beleidigend und man könne es ruhig verwenden. Von systematischem und institutionellem Rassismus will ich gar nicht erst anfangen; das ist dann doch eher ein 30-Seiten füllendes Bacherlorarbeitsthema.
Nein, lieber Facebook-Freund, der du vor kurzem unter ein von mir gepostetes Video über die Benachteiligung von Minorities in der Hollywood Industrie kommentiertest, dass "wir" uns ja in die Opferrolle drängen und wir uns nicht so anstellen sollen: nein. Wir drängen uns nicht in die Opferrolle. Es ist die Realität. Und es ist mir egal, dass dein bester Freund Schwarz ist. Dadurch weißt du nicht wie es ist, auch wenn du das denkst. Kann man wirklich so absolut ignorant sein? Natürlich leide ich nicht. Natürlich geht es mir gut. Aber ich erfahre Rassismus an Leib und Seele. Auch wenn es nur kleine Sachen sind, sie sind trotzdem da. Und Menschen die sagen "es ist alles nicht so schlimm, stellt euch nicht an", sind genau so schuldig wie Leute, die mich "Nigger" rufen. Es ist eine Tatsache, dass ich härter arbeiten muss als eine Lisa Müller um an das gleiche Ziel zu kommen. Es ist eine Tatsache, dass die meisten Arbeitgeber die Person mit dem deutschen Namen eher einstellen. Das sind Fakten. Es gibt hunderte Studien, Selbstversuche und Statistiken darüber. Da gibt es kein drumherum. Ich bin daran gewöhnt. Ich kenne es nicht anders. Aber sagt mir nicht es sei nicht so.
Ich habe das Glück, dass ich noch nie wirklich schlimm beleidigt wurde. Abgesehen vom Alltagsrassismus, der an sich schon schlimm genug ist, und den man nicht runterspielen sollte, habe ich nichts "erlitten". Ich wollte nie hellhäutig sein. Ich war schon immer stolz darauf, dass ich so bin wie ich bin. Ich weiß, dass nicht jeder das Glück hat; umso dankbarer bin ich. Ich bin glücklich Deutsche zu sein. Genau so, wie ich glücklich bin, nigerianische Wurzeln zu haben. Ich hasse es, wenn Leute sagen "ich sehe dich nicht als Schwarz, Wakila. Für mich sind alle Menschen gleich". Du siehst mich nicht als Schwarz? Ich bin es aber. Ich möchte nichts von meiner Identität abgesprochen bekommen. Zu sagen "ich sehe dich nicht als Schwarz" ist als würde man sagen "ich sehe dich nicht als Frau". Ich bin wie ich bin. Alles was ich will ist, dass ich, obwohl ich Schwarz bin, gleichwertig behandelt werde.
Das ist alles.